REVOLUTION!

Die Bedeutung von Revolution als meist gewaltsamer politischer Umsturz bildete sich erst im 18. Jahrhundert durch die Französische Revolution, wobei als erste bekannte Revolution die Tötung Caesars durch Brutus, 44 v.Chr. angesehen werden kann.

Hannah Arendt (1906-1975, jüdische, deutsch-amerikanische Publizistin und Gelehrte): Das Ziel einer Revolution kann ‚nichts anderes sein als eben Freiheit.’ Eine Revolution stellt einen Anfang, einen Neubeginn dar. Wie ist er möglich? Wieso geschieht er? Warum hatte niemand vorher etwas davon gewusst? Wie ist er gewaltlos zu gestalten?

Aus heutiger Sicht ist es notwendig, sich den Ursprung des Begriffs aus dem Spätlateinischen anzusehen: Im 15. JH wird mit revolutio (Zurückwälzen, Umdrehung) in der Astronomie der Umlauf der Himmelskörper bezeichnet und meint daher etwas Wiederkehrendes bzw einen Zyklus. Diese ursprüngliche Bedeutung prägt die Revolutionen der Geschichte:

Joachim-Ernst Berendt (1922-2000, deutscher Musikjournalist, -produzent und Pionier) in ‚Kraft aus der Stille’: ‚[..] Ich bekenne mich zu einer Generation, die tief durchdrungen war vom Ideal der Revolution [..] die Revolutionäre von gestern wurden die Unterdrücker von morgen [..] das Schieflaufen der Revolution gehört zu ihrem Gesetz [..] Sie schlägt um in das Zurück, in das Re [..] Sie wollen zuerst die Verhältnisse ändern und begreifen nicht, dass wenn die Verhältnisse von nicht gewandelten Menschen geändert werden, es bald wieder nicht gewandelte Verhältnisse sein werden. [..]  alles war richtig an Marx, nur dies nicht: die Verhältnisse ändern wollen, damit sich der Mensch ändert [..] es ist der Mensch, der die Verhältnisse schafft, also müssen wir mit ihm und bei ihm beginnen [..]’

J.E. Berendt meint weiter, dass gleiche Uranus-Konstellationen bei allen nennenswerten Revolutionen dieses und des letzten Jahrhunderts nachgewiesen sind, womit er auf den Ursprung des Begriffs aus der Astronomie verweist.

THESIS

Der reine Zyklus als das Wiederkehrende ist die Folge von verhinderter Evolution als linearer Verlauf in einer prinzipiell spiralförmigen Entwicklung (wo Zyklus und Linearität sich ergänzen) der Menschheit.

Dies wird durch die Verwendung des Revolutionsbegriffs für den gewaltsamen Umsturz verdeutlicht, welcher aber zurück in das alte, abgelehnte System führen muss, damit Integration anstelle von Ablehnung des Erlebten stattfinden kann, um einer Spiralentwicklung zu folgen, die von sich ausgleichenden Ruhe- und Progressphasen gekennzeichnet ist.

Die gewaltsame Revolution als Reaktion auf ein Übermaß an Stagnation im reinen Zyklus ist die impulshafte Entladung angestauter linearer Energie, welche so als ungenütztes evolutionäres Potential des Konflikts in einem Gewaltausbruch verpufft. Somit verhindert die aggressive Ablehnung einer Situation die Integration von Gelerntem und Angeeignetem (als Voraussetzung für Anpassung wie auch Umgestaltung) in sich ändernden Lebensverhältnissen, also den im Konflikt inhärenten Lernprozess und somit Evolution.

Warum evolutionäre Prozesse überhaupt verhindert werden, könnte mit der aktiven sich verselbständigten individuellen Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und den damit verbundenen inneren und äußeren Konflikten der Menschen zusammenhängen: Im Unterschied zu mehr tierischem, oft einer Art gemeinschaftlichem (kollektivem) Bewusstsein, ist das vermenschlichte Bewusstsein zwar selbstbewusster aber auch fehleranfälliger (naturgegeben im Lernprozess des sich befreienden Willens) weil die bloße Funktionalität für das Überleben des reinen Instinkts eines Tieres, das nach diesem als Teil einer Natur agiert, durch die sich individualisierende komplexe Vermischung von Instinkt und Ego samt den sich wandelnden Bedürfnissen, mehr und mehr abgelöst wird.

Für die Annäherung an eine bewusste und friedliche Form von Revolution im evolutionären Sinn als Neuerung durch Integration wird im Folgenden das Modell der 9 Bewusstseinsstufen nach Jean Gebser bzw. Ken Wilber angerissen:

Diese Stufen sind nicht als aufgeräumte kleine Schachteln zu verstehen. Sie können sich überlagern, müssen nicht nacheinander vollständig durchlaufen werden und es kann auch etwas schiefgehen oder zu Konflikten zwischen Menschen auf unterschiedlichen Stufen kommen. Jede Stufe enthält ihre Wahrheit und hat ihre Berechtigung und kann in einem einzelnen Menschenleben oder anhand der Menschheitsgeschichte betrachtet werden.

REVOLUTION IN DER ENTWICKLUNG DES MENSCHLICHEN BEWUSSTSEINS

Die erste Bewusstseinsstufe: das archaische Bewusstsein des Säuglings (bis etwa 3)

Das Bewusstsein ist zunächst so sehr der körperlichen Materie verhaftet, dass der Säugling unfähig ist, zwischen dem eigenen und dem Körper der Mutter zu unterscheiden. Die erste Aufgabe (mit etwa vier Monaten) besteht darin, klar zu erkennen und zu akzeptieren, dass sein eigenes körperliches Selbst von der Mutter und auch von allen anderen körperlichen Geschöpfen und Objekten getrennt ist. Mit etwa 18 Monaten vollzieht das Kind allmählich eine weitere Trennung: Es erkennt, dass auch seine eigenen Emotionen von denen der Mutter und denen anderer Menschen getrennt sind.

Auf die Menschheit übertragen entspricht diese Stufe der Weltsicht der Steinzeitvölker: Ihre Verbindung zur Natur und zur Materie basierte auf einer unmittelbaren sinnesorientierten und emotionalen Erfahrung.

Die zweite Bewusstseinsstufe: das magische Bewusstsein von Kindern (zwischen 2 und 7)

Der vorangegangene Zusammenbruch der ersten Weltanschauung durch die Erkenntnis, dass man ein eigenes körperliches, emotionales Wesen ist, äußert sich ab dem 2. Jahr auch als Trotzphase, welche die erste Konfrontation mit dem eigenen Willen und  die Folge der ersten wichtigen Ablösung von der Mutter darstellt.

Der Verstand des Kindes tritt hervor. Symbole (Sprache) werden benutzt und magische Überzeugungen entwickelt: eine polytheistische Welt aus Feen, Elfen und Dämonen, die in der inneren Welt des Kindes zuhause sind. Oft kann es nicht zwischen Inhalten seines Verstandes und der Außenwelt unterscheiden. Das Bewusstsein ist ichbezogen und die Außenwelt dreht sich um sein Selbst. Erste moralische Vorstellungen entwickeln sich abhängig von den Reaktionen der Eltern, die als Belohnung oder Bestrafung empfunden werden. Langsam erkennt das Kind, dass es nicht nur den eigenen Standpunkt gibt und dass magische Worte nicht dafür sorgen dass es zB aufhört zu regnen. Die Ichbezogenheit lässt nach und es lernt zu teilen.

Das magische Bewusstsein ist vorherrschend in der Welt der polytheistischen und animistischen Stammesvölker.

Die dritte Bewusstseinsstufe: das mystische Bewusstsein im vorjugendlichen Alter

Die erste mentale Stufe: der hervorgetretene Verstand oder das Ego bilden sich auf einer konformistischen Stufe von Gesetz und Ordnung in welcher alles der beschränkten Welt als das Wahre und das Beste angesehen wird. Es definiert sich anhand von konventionellen Rollen und Regeln und sieht seinen Selbstwert darin, diese Gesetze zu befolgen. Wenn die gottgleichen Eltern sagen, etwas ist richtig oder falsch, dann ist das so. Vielfältigkeit und Toleranz sind noch nicht verinnerlicht, daher tritt Verwirrung auf wenn ein weiterer Gott, der Lehrer, etwas sagt, das im direkten Gegensatz zum Gesagten oder Gemachten der Eltern steht. Auch die Weltanschauung mit einem Gott im Himmel der Wunder vollbringen kann um die eigenen Bedürfnisse zu stillen hat hier seinen Platz. Es gibt also viele Götter – wozu auch die gleichaltrige Bezugsgruppe gezählt wird – und zwar innere (Nikolo) und äußere, deren Regeln es zu befolgen gilt um gut zu sein und die nun die Macht besitzen, welche bei der vorhergehenden Stufe es selbst zu haben glaubte. Da der Wert des Kindes als Person nun durch diese Rollen und Regeln definiert ist, werden sie auf aggressive Weise verteidigt (Prügeleien).

Erwachsene auf dieser Stufe betrachten Andersdenkende, Andersgläubige oder Menschen mit anderer Herkunft als schlechter oder auf dem Weg zur Hölle weshalb es in Ordnung ist diese mit allen Mitteln zu bekehren oder auch zu töten (Fundamentalismus). In solchen Konflikten und infolge dieser Stufe gibt es Millionen von Toten zu verzeichnen (Kreuzzüge, Inquisition, Eroberung Nord- und Südamerikas, 2. Weltkrieg). Diese Stufe hat die großen – in der Regel mit starrer patriarchaler Hierarchie strukturierten – Imperien hervorgebracht, welche die ganze Welt erobern wollten (und welche Menschen auf der magischen Stufe, wie in Stämmen, einfach überrannten).

Menschen auf dieser Stufe sind psychologisch unfähig auf globaler Ebene zu denken (zB Umwelt) und sind zB auf ihre eigenen finanziellen, ethnischen, nationalen Angelegenheiten fixiert. Globales und Äußeres wird als Bedrohung wahrgenommen. Diese Anteile des menschlichen Bewusstseins, treten häufig in Krisen hervor.

Die Stufe markiert den Schritt heraus aus der zuvor notwendigen Blutsverwandtschaft (Welt der Stämme), da nun jeder zumindest durch Bekehrung zum Nichtfeindlichen dazugehören kann.

Die vierte Bewusstseinsstufe: Das rationale Bewusstsein (Pubertät- die erste willentliche und bewusste Revolution)

Immanuel Kant (1724-1804, deutscher Philosoph der Aufklärung): ‚Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!’

Ist die  2. mentale Stufe und heute vorherrschend. Oft einhergehend mit einem schmerzhaften Tod des mythischen Weltbildes und Konflikten mit nahen Menschen, die noch im mythischen Bewusstsein sind. Die Entwicklung des logischen Denkvermögens erlaubt es nun erstmals, die konventionellen Regeln und Rollen seiner Gesellschaft, mit denen man geschult wurde, zu analysieren und auch zu kritisieren. Man kann sich auf kreative Weise eine alternative Welt vorstellen, besitzt also die Fähigkeit abstrakt zu denken, allgemeine Aussagen und Grundsätze zu verstehen.

Die niedrige rationale Ebene entspricht etwa in Klischees zu denken und in Phrasen zu sprechen. Bei höheren Stufen der Rationalität kommt es auch zur Bürokratensprache oder zu klug klingenden Worten ohne klare Bedeutung. Menschen, die dann tatsächlich daran interessiert sind, abstrakt zu denken und ihren Verstand zu erweitern um etwa Mathematik, Recht oder Philosophie zu verstehen, können auch Opfer einer Ideologie werden: ein bestimmtes Denksystem nimmt ihren Verstand gefangen und lässt kein anderes mehr zu. Im Falle eines zuvor mythischen Glaubens (zB Gott im Himmel) entsteht hier oft ein rationalisierter Glaube, aber auch die Abwendung, also Atheismus (heißt der Glaube an den Gott aus der Kindheit wird verloren und die Sache damit abgeschlossen). Das Meistern der rationalen Bewusstseinsstufe besteht somit darin, klar, logisch und kreativ zu denken, ohne sich in einem Ismus zu verfangen und bezüglich des verlorenen Glaubens an den Gott im Außen, sich langsam für Innenschau zu öffnen.

Die fünfte Bewusstseinsstufe: die Schaulogik

Die höchste der 3 mentalen Stufen: Hauptsächliches Merkmal ist die Identifizierung des Selbst mit dem abstrakten Verstand und die Fähigkeit, aus vielen unterschiedlichen Perspektiven heraus zu denken, umfassend in seinem Interesse an und in seiner Sorge für andere Menschen. Man ist fähig sich mit weltumspannenden Problemen auseinander zu setzen, deren Lösung die Fähigkeiten einzelner Nationen oder Gesellschaften übersteigt. Das Bewusstsein vieler Künstler, Schriftsteller, internationaler Finanziers, Wissenschaftler und Philosophen. Es kann aber natürlich auch ein Stammeshäuptling von der animistischen zu dieser Stufe gelangen, indem er lernt, die konkurrierenden Interessen von Stammesfraktionen mit unterschiedlichen Ansichten zu bewältigen.

Eine mögliche Kehrseite der Schaulogik zeigt sich in innerer Qual, wenn das Weltliche seinen Glanz verliert und der Sinn des Lebens verloren geht. Beim Fortschritt beginnt man aber den Verstand zu transzendieren und wird sich seiner Rationalität bewusst. Der Verstand und das Denken können als Objekt betrachtet werden und das Selbst wird allmählich jenseits des Verstandes angesiedelt. Dieser innere Zeuge beobachtet und integriert Körper, Gefühle und Verstand, weshalb es sich um die Stufe der integrierten Persönlichkeit handelt, auf welcher auch Unbewusstes und höhere Fähigkeiten (zB künstlerische) bewusst werden. Menschen sind ab hier wieder stärker geerdet, als auf der rein rationalen kopflastigen Eben zuvor.

Hauptthema ist hier also Integration.

Für die Vollständigkeit werden die weiteren der 9 Stufen genannt:

Die sechste Stufe: Mediales Bewusstsein

Ist der innere Zeuge der auch die Raumzeit integriert. Informationen jenseits der fünf körperlichen Sinne werden bewusst und mediale Fähigkeiten können entwickelt werden, was eigentlich nur heißt, dass diese Informationen empfangen werden.

Übergang: Die dunkle Nacht der Sinne

Die siebende Stufe: Das subtile Bewusstsein

Übergang: Die dunkle Nacht der Seele

Die achte Stufe: das kausale Bewusstsein

Die neunte Stufe: das nicht-duale Bewusstsein

Diese Entwicklungstheorie zeigt auf, dass Revolution nur in friedlicher Form langfristig zum Ziel führt, da die radikale Revolution in manchen Stadien kurzfristig notwendig scheint (um etwa aus einer Stagnation auszubrechen) aber der Weg der Integration nicht einer von Bekämpfung oder Besiegung sondern friedlich ist.

Musikalisch wird das Thema (global) von Muse auf dem Album Resistance und The 2nd Law behandelt und filmisch in Black Swan, als ein persönliches Drama wo Persönlichkeitsanteile nicht integriert werden (Negativrevolution).

Aktuelle positive Entwicklungen und Erkenntnisse:

The Venus Project

Zeitgeist – Moving Forward

Leave a comment